Möglichkeiten und Grenzen des live-online Fremdsprachenunterrichts in einer virtuellen Welt – Teil 4

Second Life als Lehr- und Lernplattform
Stolpersteine und Herausforderungen

Wie vielfältig und abwechslungsreich man den Unterricht im Second Life gestalten kann, hängt ganz stark von der „SL-Kompetenz” der Teilnehmer und des Lehrers ab. Die passive Benutzung der vorhandenen Gebäude und anderer Einrichtungen bedarf eigentlich keiner besonderen Kenntnisse. Man kann sich in die virtuelle Welt einloggen, und einfach spazieren gehen. Wie man von einem Punkt zu dem anderen kommt oder wie man seinen Avatar bewegt, lernt man sehr schnell. Es ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber gar nicht kompliziert. Hat man sich diese Grundfunktionen angeeignet, kann man sofort lehren und auch lernen.

Anders sieht es aber mit der aktiven Benutzung der Plattform aus!

Dazu muss man schon mindestens grundlegende, SL-relevante Programmierkenntnisse haben. Man muss einfache Scripte erstellen, Gegenstände bauen, Texturen hochladen und tauschen können – und im allgemeinen muss man mit der Funktionalität der virtuellen Welt im Klaren sein. Genauso gilt das für die Teilnehmer: Können diese ihre Avatare nur mit Mühe bewegen, können sie sich auf Spielfeldern nicht bewegen, Informationen nicht lesen, Stationen nicht finden. Kennen die Lerner die Welt sehr gut und kommen damit sehr gut zurecht, kann man als Lehrer zum Beispiel sogar ein Dominospiel vorbereiten, bei dem die Teilnehmer die Dominosteine selber auswählen und legen können. Aber sie können nach den Anweisungen des Lehrers auch selber Inhalte, Gegenstände, oder Spielfelder erstellen, diese mit Texturen beziehen oder ändern.

Arbeit im Second Life

Ein eindeutiger Nachteil vom SL ist, dass man für die Vorbereitung einer wirklich spannenden und kreativ gestalteten Stunde sehr viel Zeit und Energie braucht. Man muss alles selber bauen (oder hilfsbereite Avatare finden, die das gerne tun), die Scripte muss man selber schreiben und man muss auch die Bilder oder Muster für die Texturen selber vorbereiten, hochladen und damit die Gegenstände beziehen. Genau das selbe gilt für Videosekvenzen oder Audiodateien. Es existieren zurzeit noch keine Lehrwerke, Lehrerhandbücher oder SL-kompatible Ergänzungsmaterialien, die die Arbeit erleichtern könnten.

Neben den oben genannten Problemen der technischen Kompetenz und der enorm langen Vorbereitungszeit muss auch ein anderer Punkt erwähnt werden, der die Arbeit im SL erschwehrt – die persönliche Einstellung der Avatare. Viele Avatare betrachten Second Life als Spielplatz, dementsprechend stehen sie auch zum Lernen. Sie kommen zu der Stunde ohne Mikrofon und Kopfhörer zu haben, oder ohne die SL-Voice Funktion installiert zu haben. Ohne Sprechen und Hören kann man definitiv keine Fremdsprache lernen. Andere Avatare haben keine Manieren, scheinen nicht ganz genau zu wissen, wie es sich in einer Unterrichtsstunde zu verhalten gehört. Es ist auch problematisch, eine relativ stabile Gruppe zusammenzubekommen. In der Stunde erscheinen außerdem immer wieder andere Personen, was eine permanente Arbeit unmöglich macht.

Arbeit im SL 2

Die besten Erfahrungen habe ich mit Lernern gemacht, die ich in der realen Welt für richtiges, reales Geld live-online unterrichte. Für diese Leute ist das Second Life eine andere Plattform zum Lernen, genauso eine, wie ihr LMS, in dem sie ihre Hausaufgaben lösen, die virtuelle Tafel oder das virtuelle Klassenzimmer.

Second Life verbirgt in sich Möglichkeiten, die den live-online Sprachunterricht besonders lebendig, interessant und wirkungsvoll machen können, aber es gibt trotzdem noch Hindernisse, die bewältigt werden müssen. Nicht nur die Technik der SL soll ausgefeilter und vielleicht leichter bedienbar werden, sondern auch die Lehrer müssen lernen, kreativer zu denken, und nicht unbedingt die Unterrichtsszenarien aus dem traditionellen Klassenzimmer auf die virtuelle Welt übertragen, sondern ganz andere, extravagante Lösungen finden können.

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Hinweis: Dieser Beitrag (und die Folgebeiträge mit dem selben Titel) ist (sind) urheberrechtlich geschützt! Der Originalartikel erschien im Online-Tutoring Journal 2008. Da dieses Online-Magazin mittlerweile nicht mehr existiert, habe ich den Artikel in diesen Blog umgezogen. (H.B.)

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